Einleitender Textbeitrag von Wolfgang Knapp, Universität der Künste Berlin, Institut für Kunst im Kontext – entnommen aus „Ein Denkmal für die erste Homosexuelle Emanzipationsbewegung – Präsentation der Entwürfe“, Begleitbroschüre zur Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt, HKW Berlin, November 2015:
Kunst und Homophobie – eine künstlerische Verbeugung vor Magnus Hirschfeld
„Selbst in einer Berliner Kunsthochschule entsteht eine merkbare Stille im Raum, wenn in einer Projekt-Veranstaltung die Möglichkeit erörtert wird, sich an der Entwicklung eines Denkmals gegen Homophobie und für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung zu beteiligen. Die anwesenden Studierenden multinationaler Herkunft wissen, dass einige unter ihnen aus Ländern kommen, in denen Homosexualität, Transgeschlechtlichkeit, oft die Quer-Kulturen insgesamt, diskriminiert und oft brutal bestraft werden, Todesstrafe eingeschlossen.
Die an den hier vorliegenden Entwürfen Beteiligten kommen aus Kunst, Medien, Design und Architektur. Sie haben bereits in ihren Herkunftsländern – Bosnien-Herzegowina, China, Deutschland, England, Griechenland, Nepal – ein Studium abgeschlossen, mehrjährige Berufserfahrung gesammelt und fordern sich durch ein postgraduales Studium nun erneut heraus. Diese Selbstherausforderung schließt disziplinübergreifende Recherchen in den Künsten und den Wissenschaften ein – mit dem Vorteil, dass diese Arbeitsgruppe die künstlerischen Denk- und Handlungshorizonte mit den Fachwissen aus ihren Kulturen, Sprachen, Herkunftsländern bereichern und erweitern kann.
Besonders exponiert durch seine Nähe zu Regierungsgebäuden und zum Haus der Kulturen der Welt, existiert ein urbanes, politisches und kulturelles Umfeld, dass in die künstlerische Arbeit einbezogen werden muss. Und dennoch soll künstlerischer Eigensinn möglich sein, um in einem Bezirk mit zahlreichen Gedenkorten einen weiteren hinzuzufügen, der eine öffentlich immer noch kontrovers diskutierte Thematik aufgreift. Ermutigt durch die Studien von Magnus Hirschfeld, beteiligen wir uns mit künstlerischen Mitteln an dieser Emanzipationsbewegung.
Die Entwürfe sind in wechselnden Teams erarbeitet worden. Auf eine namentliche Kennzeichnung wird verzichtet, um ein anderes Wettbewerbsformat zu erproben.
Wir danken all denen, die uns in den letzten beiden Jahren durch ihre Fachkenntnisse, durch Förderungen und durch kritische Anregungen auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben.“
Entwürfe der Hirschfeld AG, bestehend aus:
Sajana Joshi, Malvina Panagiotidi, Jonathan Ryall, Martin Binder, Raju G.C., Xue Wang, Igor Sovilj, Ino Varvariti, Giannis Delagrammatikas
Kratzen – ein Denkmal als Prozess
Materialien:Edelstahl, Farbbeschichtung in sechs Farben, überzogen mit schwarzer Farbe
Dimensionen: 6 aneinandergefügte Metallstelen, 225 cm x 300 cm x 10 cm
Konzept: Eine schwarze, gekrümmte Wand am Magnus-Hirschfeld-Ufer ist der Ausgangszustand des Denkmals, das sich durch die aktive Beteiligung von BesucherInnen verändern wird. Unter der schwarzen Farbe verbergen sich die Farben des Regensbogens, für jede der sechs Farben ein Metallsteifen, die zusammen die Wand bilden. Am oberen nicht schwarz überlackierten Teil der Wand, offenbart jeder Streifen seine Grundfarbe. Durch Kratzen an der schwarzen Opferschicht mit harten Gegenständen wie z.B. Schlüsseln oder Münzen können die BesucherInnen Ritzspuren hinterlassen und die Farben unter der schwarzen Schicht freikratzen. So wir das für ein Denkmal dieser Art bestehende Vandalismusrisiko konstruktiv gewandelt, Erinnerungsspuren und Kratzbewegungen legen die Regenbogenfarben frei.
Die Kratzaktivität ist eine Referenz zur wiederholten Beschädigung der bestehenden Gedenktafeln am Magnus-Hirschfeld-Ufer. Der Vandalismus umfasst unter anderem die Verformung einer Tafel, das Beschmieren mit Schriftzeichen und Symbolen auf den Vorder- und Rückseiten und das Auskratzen der Augen der auf den Tafeln abgebildeten Persönlichkeiten.
Die Krümmung des Denkmals schafft in der gedachten Fortsetzung eine Verbindung zum ehemaligen Standort des Instituts für Sexualwissenschaft am anderen Ufer der Spree und erinnert an seine bedeutende Rolle.
Diese Form produktiver Interaktion der Destruktion erinnert an die vorsätzliche Zerstörung der Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft durch Berliner Nationalsozialisten im Mai 1933 (ca. 20.000 Bücher, 35.000 Fotografien und 40.000 Erfahrungsberichte sowie biographische Briefe wurden verbrannt). Weitere Beispiele für homophoben Vandalismus im öffentlichen Raum ist die Beschädigung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten, die Beschädigung der Gedenktafel im U-Bahnhof Nollendorfplatz für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle und die wiederholte Verbrennung einer Regenbogenskulptur in Warschau, um nur einige zu nennen. Der wiederholte Vandalismus an den Hirschfeld-Gedenktafeln wird zum gestalterischen Element des Denkmals. Die kollektive Kratzaktivität der BesucherInnen bildet eine lebendige Bewegung ab, die Spuren des Zusammenhalts hinterlässt und Solidarität mit der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung über die freigelegten Farben sichtbar macht. Ähnlich wie die Aneignung diskriminierender Begriffe durch die homosexuellen Communities und die daraus resultierende Stigma-Umkehr der Begriffe „schwul“, „homo“, „queer“ oder „gay“ nutzt dieser Denkmalentwurf Aneignung als Strategie zur Umkehr des Vandalismus. Die symbolische Untergrabung der Zerstörung macht aus dem Kratzen eine positive, produktive Tat.
Das zunehmende Hervortreten der unteren Farben steigert die Sichtbarkeit des Denkmals. Durch das Abkratzen der Farbe verändert sich das Denkmal und bietet im öffentlichen Raum einen Ort, der Befreiung und Emanzipation sichtbar werden lässt. Je mehr gekratzt wird, desto vielfarbiger wird das Denkmal und desto deutlicher treten die sechs Farben unter dem Schwarz der Metallwand hervor. Durch diese Handlungsstrategie wird eine aktive Teilnahme gefordert, die für Menschen jeder Körpergröße möglich ist und spontan mit mitgebrachten Gegenständen als Kratzwerkzeug erfolgen kann. Die Höhe des Denkmals verhindert, dass die schwarze Farbe komplett verschwindet und erinnert somit auch daran, dass lange nicht alle Ziele der homosexuellen Emanzipation erreicht sind. Die von PassantInnen hinterlassenen Kratzspuren tragen zu einem lebendigen Gedenkort bei.
Welle: ein wandelbares Denkmal
Materialien: Edelstahl, Beton, Aluminium/Acrylglas-Schilder, individuelle Beschriftung
Dimensionen: Edelstahlrahmen: 360 cm x 150 cm x 358 cm x 360 cm, Rahmenquerschnitt 7cm x 7cm, 24 runde Edelstahlstangen: verschiedene Längen, Durchmesser 10 mm, gelaserte Acylschilder: Durchmesser 100 mm, 3 mm stark
Konzept: Dieser Entwurf besteht aus einem unbeweglichen, skulpturalen Element, das Besucherinnen und Besuchern Interaktionen ermöglicht: Persönliche Beiträge zum Denkmal sind Teil des Konzepts und ausdrücklich erwünscht.
Durch Mut ausgelöst, wogt das unbewegliche Element, eine sich auftürmende Welle aus Edelstahl, über den Köpfen der PassantInnen am Magnus-Hirschfeld-Ufer. Der Strömung der Spree entgegen, schiebt sich die Welle in Richtung des ehemaligen Standorts des von Magnus Hirschfeld gegründeten Instituts für Sexualwissenschaft und des heutigen Regierungsviertels. Die Positionierung der Skulptur thematisiert den Mut, der es erst ermöglicht, sich einem Strom entgegen zu bewegen. Mut, sich der damaligen gesellschaftlichen „Strömung“ zu widersetzen und für die Abschaffung des Paragraph § 175 zu kämpfen, bewies auch Magnus Hirschfeld. Die Welle kann als Symbol der Emanzipationsbewegung gesehen werden und ist darüber hinaus Träger des sich permanent wandelnden Teils des Denkmals.
Der Grundkörper der Skulptur besteht aus sich kreuzenden runden Metallstäben, die von einem Edelstahl-Rahmen gefasst sind. Eigens für diesen Zweck angefertigte Schilder können von BesucherInnen an den Stäben angebracht werden. Die Namen wichtiger Akteure der homosexuellen Emanzipationsbewegung, Botschaften, Zeichnungen und Wünsche finden auf den Schildern Platz. Das Schreiben mit der eigenen Handschrift ermöglicht es, eine individuelle Spur zu hinterlassen. Mit dem Anhängen der bunten Schilder wird die Vielfältigkeit der Bewegung manifestiert. Die persönlichen Beiträge der BesucherInnen führen zu einer kollektiven Autorenschaft, die offen ist für alle geschriebenen Sprachen.
Im Laufe der Zeit werden Schilder angehängt oder mitgenommen, somit befindet sich die Welle in ständiger Veränderung. Die in den sechs Regenbogenfarben erhältlichen Schilder sollen an verschiedenen Stellen in Berlin angeboten werden, beispielsweise in Läden, Museen, Galerien oder über das Internet. Die Regenbogenfarben werden sich jedoch nicht in ihrer symbolträchtigen spektralen Reihenfolge anordnen, sondern sich als bunte Mischung an der Skulptur gruppieren.
Dieser Entwurf schafft einen Ort, der von seinen BesucherInnen belebt und mitgestaltet wird. Ein unvollendetes Denkmal, das die Anfänge der Bewegung im Berlin der Weimarer Republik mit dem heutigen Kampf um die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung nicht-heterosexueller Lebensweisen verbindet.
Calla – Bunt gegen Homophobie
Material: GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff), Eisen, Pulverbeschichtung
Dimensionen: Stiel Höhe 400 cm, Durchmesser ca. 6 cm , Blüte Höhe ca. 60 cm
Die nicht festgelegte Identität der Calla-Lilie und die Diskussion um ihre Kategorisierung bilden den Kern dieses Konzepts. Trotz ihres Namens ist die Calla-Lilie weder eine Calla noch eine Lilie. Im 17. Jahrhundert wurde sie vom Botaniker Carolus Linneaus unter dem Calla-Genus registriert. Später stellte der Botaniker Karl Koch fest, dass es sich bei ihr um ein eigenes Genus handelte, das er nach dem Botaniker Giovanni Zantedeschi benannte. In diesem Entwurf verdeutlicht die Pflanze, dass Identität und insbesondere Geschlechtidentitäten nicht präzise festgelegt sind. Die Entwicklungsstadien von der Knospe bis hin zur voll aufgeblühten Lilie betonen nicht nur das Wachstum der Pflanze, sondern verweisen ebenso darauf, dass sich die sexuelle Emanzipation weltweit in sehr verschiedenen Entwicklungsstadien befindet.
Der Entwurf besteht aus sechs überlebensgroßen Calla-Lilien in Abstufungen der Farben des Regenbogens. Die Blumen erreichen eine maximale Höhe von 420 cm und ihre Blüten einen maximalen Durchmesser von 60 cm. Sie sind in variierendem Abstand auf einer Fläche von ca. 350 x 550 cm angeordnet, sodass PassantInnen sich zwischen ihnen bewegen können.
Der Wiedererkennungswert der Regenbogenfarben ist für den Entwurf von elementarer Bedeutung. Die Farbigkeit betont den positiven Ansatz des Entwurfs und hebt sich von der Denkmallandschaft Berlins deutlich ab. Die ca. zehnfache Vergrößerung der Calla, die sich im Wind wiegen können, sorgt für mehr Sichtbarkeit und sensibilisiert für die symbolische Wirkung von botanischen Übertreibungen.
Die Calla-Lilie steht symbolisch für die Ablösung eines bipolaren Geschlechtsmodells durch die von Magnus Hirschfeld vertretene Erweiterung des Verständnisses menschlicher Sexualität. Er forschte unter Anderem zum Hermaphroditismus, der gegenwärtig als Intersexualität und Transsexualismus bezeichnet wird. Hirschfeld war es auch, der 1910 den Begriff des ‚Transvestiten’ einführte. Er war überzeugt, dass Transsexualität eine Form der Intersexualität sei. Die Monözie (Vorhandensein von weiblichen und männlichen Blüten auf einem Pflanzenexemplar) der Zantedeschia Aethiopica (Calla-Lilie) betont auch diesen Aspekt in Hirschfelds Sexualforschung.
Aufgrund der Unterschiede zwischen Menschen und Pflanzen und deren unterschiedlichen Reproduktionsprozessen, sind die hier beschriebenen Parallelen nicht direkt vergleichbar. Der Entwurf thematisiert vielmehr die Monözie der Calla-Lilie und verweist auf ähnliche physische und psychische Phänomene beim Menschen. Somit entsteht ein Raum mit Potential zur Reflexion über sexuelle Vielfalt und nonkonforme Geschlechtidentitäten. Die äußere Erscheinung der Blüten ruft Konnotationen zu männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen hervor; auch erotische.
Eine Emanzipationsbewegung setzt eine Gruppe von Menschen voraus, die sich für ein gemeinsames Ziel einsetzen und dafür kämpfen. So stehen auch die Blüten der Calla-Lilie als Gruppe zusammen.
Zwischenstufen – eine unbequeme Idee
Materialien: Beton, farbiges Metall
Dimensionen: 450 cm x 500 cm x 120 cm
Die Form des Entwurfs bezieht sich auf die Theorie der sexuellen Zwischenstufen von Magnus Hirschfeld (1926), der die Existenz einer großen Vielfalt von sexuellen Orientierungen beim Menschen behauptet hat.
Die rundliche Form des Denkmals besteht aus sich an einen gedachten Kreis anschmiegenden Stufen. Dort, wo Anfang und Ende des Kreises aufeinandertreffen, öffnet sich die Form nach außen. Die ersten zwei Stufen sind 60 cm hoch, sie halbieren sich schrittweise in der Höhe, bis die Stufenhöhe am Ende der Form nur noch 2 cm beträgt. Die Anzahl der kleinsten Stufen ist unüberschaubar, ein Effekt, der durch den Einsatz von Farbe noch verstärkt wird. Auf den ersten Blick können die Dimensionen mit bereits Bekanntem assoziiert werden, wie Versammlungsformen, Plattform, Sitzgelegenheit oder Forum.
Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vertrat der deutsche Sexualforscher Magnus Hirschfeld die These, die menschliche Sexualität sei nicht auf die beiden Pole des Männlichen und Weiblichen begrenzt sondern sei individuell verschieden. Zur Bestimmung jedes Individualtypus müssten zahlreiche weitere Eigenschaften berücksichtigt werden. Nach Hirschfeld lassen sie sich grob in folgende Gruppen einordnen:
- Geschlechtsorgane
- Sonstige körperliche Eigenschaften
- Geschlechtstrieb
- Sonstige seelische Eigenschaften
Im Bezug auf die zwei Pole des Männlichen und Weiblichen, die er auch als Vollmann oder Vollweib bezeichnet, entsteht eine unendliche Vielzahl von möglichen Kombinationen und Abstufungen dieser Einteilungen. In jedem Bereich sind drei Ausprägungen möglich (männlich, weiblich oder gemischt männlich-weiblich) und jede lässt sich selbst wiederum in vier Untergruppen einordnen. Den Transvestitismus, ein von Hirschfeld eingeführter Terminus, definiert er zum Beispiel als eine Zwischenstufe der „sonstigen seelischen Eigenschaften”, die sich in weitere Stufen unterteilen lässt. Um eine Vorstellung der unendlichen Kombinationsmöglichkeiten zu schaffen, definiert Hirschfeld eine mathematische Formel zur Berechnung der Zahl möglicher Sexualtypen:
3^16 = 43 046 721
Auch diese Anzahl sei, so Hirschfeld, nicht endgültig, da jeder Mensch anders sei und individuelle Eigenschaften weiteren Einfluss auf seinen Individualtypus hätten.
Mit der imaginär unendlich möglichen Fortführung der sich halbierenden Stufen erinnert die Form symbolisch an diese wegweisende Theorie Hirschfelds und erkennt ihre Vorreiterrolle für heutige Konzepte sexueller Identität an. Die Öffnung der Form nach außen bewirkt, dass die imaginäre Fortführung der Stufen den Blick auf das andere Ufer lenkt, zum Standort des ehemaligen Instituts für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld. Sein Institut, das sich in der unmittelbaren Nähe zum heutigen Haus der Kulturen der Welt befand, wurde 1933 von Berliner Nazis geplündert und die wertvolle und in ihrem Bestand einmalige Institutsbibliothek verbrannt.
Das Sitzen und Emporsteigen, das auf den ersten Blick bequem erscheint, ist durch die Abweichung von den bewährten Maßen der Ergonomie nur an einigen Stellen möglich. Damit werden weitere körperliche Beziehungen zu dieser Form angeregt und Gefühle über Bequemlichkeit und bekannte Erfahrungen des Sitzens hinaus hervorgerufen. Das Denkmal wird zum Ort des Verweilens und der Reflexion über den eigenen Körper. Die formale Sprache ist einem breiten Publikum verständlich und wird durch Erläuterungen zur Theorie der Sexuellen Zwischenstufen ergänzt..
Farbige Metallstreifen, die in jede Stufe eingesetzt sind, unterbrechen die Monochromie des Betons und zitieren die Farben des Regensbogens, allerdings in abgeänderter Reihenfolge. Das Denkmal kann mit dieser Form auch als Veranstaltungsort, Aussichtsplattform und Sitzgelegenheit genutzt werden. Es verdeutlicht die Vielfalt, die sich bereits in den großen Stufen-Unterteilungen verbirgt.
Spektrum – „Anders als die Anderen“
Materialien: Historische Straßenlaterne aus Aluminiumguss (pulverbeschichtet), Lichtquelle: Dispersionsprisma, Beton, Metallbuchstaben
Dimensionen: Stadtleuchte: Höhe ca. 400 cm, Breite des Leuchtenkopfs ca. 60 cm, Durchmesser des Pfahls ca. 12 cm
Betonfläche ca. 200 cm x 200 cm
Eine lilafarbene Stadtleuchte aus der Zeit der Weimarer Republik, in der das Institut von Hirschfeld eine bedeutende Rolle beim Entstehen der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung spielte, wird die schon existierende Laterne der Uferbeleuchtung ersetzen. Ein Prisma im Leuchtenkopf zerlegt das Licht der Laterne in seine Spektralfarben. Bei Dunkelheit wird das Spektrum auf einer aus weißem Beton gegossenen Bodenplatte zwischen Stadtleuchte und Gedenktafeln sichtbar. Auf dieser Betonplatte wird ein Textausschnitt des Lila-Lieds von Kurt Schwabach und Mischa Spoliansky aus dem Jahr 1920 zitiert: „…wir lieben nur die lila Nacht, die schwül ist, weil wir ja anders als die Andern sind. …“
Das Auswechseln der dort stehenden Beleuchtung durch eine Berliner Straßenlaterne aus Hirschfelds Epoche stellt, fast wie ein Überbleibsel aus einer anderer Zeit, einen direkten Bezug zu seiner historischen und noch immer bedeutenden Initiative her,. Sie unterbricht den architektonischen Rhythmus der Promenade am Ufer, die an dieser Stelle aus parallel zur Spree verlaufenden Wegen besteht. Auch die vorhandenen neuen Laternen folgen dieser Uferlinie. Die lilafarbene historische Straßenlaterne unterbricht die Normalität der Standard-Beleuchtung. Sie wird zum Element eines Denkmals, das Vorbeikommende zum Nachdenken anregt und zum Treffpunkt werden kann. Die Konnotationen von Homosexualität zur Farbe Lila seit Beginn des 20. Jahrhunderts unterstützt ihre Verwendung in diesem Entwurf.
Als Nacht- und Tag-Denkmal konzipiert, funktioniert die nun veränderte Beleuchtung tagsüber als Markierung, die durch Form und Farbe sichtbar ist. Nachts beleuchtet das Farbspektrum des Prismas den Boden. Im Schutz der Nacht spielte zu dieser Zeit das homosexuelle Leben eine wichtige Rolle in Berlin und ermöglichte dem Individuum zusätzliche Freiheiten. Kneipen und Cabarets waren wichtige Treffpunkte für die Szene und auch heute ist das Nachtleben Berlins mit zahlreichen Clubs und Bars wichtiger Bestandteil der verschiedenen Communities.
Das Lila-Lied auf der Projektionsfläche des Spektrums beschreibt die Schwierigkeiten des homosexuellen Alltags und die bedeutende Rolle der Nacht, die heimliche Treffen ermöglicht. Auch der Spielfilm „Anders als die Andern“ von Richard Oswald aus dem Jahr 1919 behandelt diese Thematik und entstand unter Mitwirkung Magnus Hirschfelds.
Wenn BesucherInnen während der Nacht den Lichtstrahl der Laterne durchqueren, werden die Spektralfarben auf ihren Körpern sichtbar und ermöglichen eine nicht endende Vielzahl von Interaktionen zwischen Subjekt und Denkmal-Objekt. Es entsteht der Eindruck, als könne man am Spreeufer in den Farben baden.
Unterschiedliche Wetterbedingungen beeinflussen das Phänomen und verändern seine Wirkung, wie zum Beispiel bei Nebel, Regen, fallendes Laub oder Schnee. Das Lichtspektrum beinhaltet alle Farben des Lichts. So wird in diesem Entwurf die Vielfalt der Menschen hervorgehoben. Hinter der scheinbaren Einheit verbirgt sich Vielfalt und umgekehrt.